Roggenburger Ehepaar baut Krankenhaus in Kenia

Hilfe: 1999 wanderte Familie Dürr aus und gründete ein Kinderdorf in Kenia

Roggenburg Im Jahr 1996 war Familie Dürr aus Roggenburg das erste Mal in Kenia. Ein ganz normaler Urlaub sollte es werden. Doch er brachte einen gewaltigen Stein ins Rollen: Ergriffen von der Armut der kenianischen Waisenkinder, kehrte Gudrun Dürr mit ihren Kindern einige Zeit später nach Afrika zurück - um vor Ort zu helfen. Inzwischen engagiert sich die Familie seit mehr als zehn Jahren in Kenia und hat dort bereits viel erreicht.

„Für mich war klar, dass ich in Kenia etwas bewegen will, seit ich das erste Mal dort war“, sagt Gudrun Dürr. So gründete ihre Familie 1997 den Verein „Projekt Schwarz-Weiß“. Gemeinsam mit Gleichgesinnten wollte man sich dafür einsetzen, Waisenkindern eine Perspektive zu geben, in einem Land, das geprägt sei von tiefer Armut. Eines der ersten Projekte, das der Verein in Angriff nahm, war die Errichtung eines Kinderdorfes in Msambweni, einem Ort an der Südküste Kenias. Um den Bau organisieren zu können, reiste Gudrun Dürr 1999 mit zwei ihrer Kinder nach Kenia. Ursprünglich wollten die Dürrs nur drei Monate in Msambweni verbringen. Aber bald wurde klar, dass Hilfe nur vor Ort möglich war. Also wagte man einen entscheidenden Schritt: In Kenia zu bleiben - auf unbestimmte Zeit. Das bedeutete aber auch eine Trennung der Familie. Vater Edmund Dürr und der älteste Sohn Marcel, damals 17 Jahre alt, hatten in Deutschland Verpflichtungen. Der Vater stellte die finanzielle Versorgung der ganzen Familie sicher und Marcel steckte mitten in der Ausbildung.

Inzwischen haben die Dürrs viel gebaut, etwa eine Schule (siehe Info). Unterrichtet wird auf Englisch, nach internationalen Standards, sagt Gudrun Dürr. Auch Deutschstunden bei Mutter Dürr stehen auf dem Stundenplan. Auch Pascal Dürr, der zwölfjährige Sohn der Familie, besucht diese Schule. Er sieht sich als Kenianer, die Landessprache Kiswahili empfindet er als seine Muttersprache. Obwohl seine Eltern Deutsch mit ihm sprechen, antwortet Pascal meist auf Englisch. Er ist hineingewachsen in die kenianische Kultur, verbringt den Großteil seiner Freizeit draußen: auf der Farm, die zum Kinderdorf gehört oder beim Angeln und Fußballspielen. Dass er das einzige Kind mit weißer Hautfarbe ist, hat nie eine Rolle gespielt: „Ich merke das nicht und es lässt mich auch keiner merken“, sagt der Zwölfjährige. Deutschland kennt Pascal nur von wenigen Besuchen. „Zu kalt“ sei es ihm dort. Gudrun und Edmund Dürr fühlen sich als Eltern des ganzen Kinderdorfes, das derzeit 55 Waisenkindern ein Zuhause bietet. Die Eheleute koordinieren die Bauvorhaben und kümmern sich um die Bürokratie: „Was in Deutschland in ein paar Stunden oder an einem Tag erledigt werden kann, dauert in Kenia schon mal mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate“, sagt Gudrun Dürr.

Derzeit werden in Msambweni eine Unterkunft für Buben und ein Krankenhaus gebaut. Mit Hilfe von Geld- und Sachspenden des Vereins und verschiedener Unternehmen konnte der Bau weit vorangetrieben werden. Die Finanzierung stehe noch nicht ganz, sagt Gudrun Dürr. Dennoch seien bereits zahlreiche Container mit deutschen Hilfsgütern, auch aus dem Kreis Neu-Ulm, in Kenia angekommen.

Die Roggenburger Familie lebt nach wie vor voneinander getrennt. Denise, die Tochter, kam vor sechs Jahren nach Deutschland zurück, um eine Ausbildung zur Arzthelferin zu beginnen. Im Juli wird sie fertig sein und will danach im neuen Krankenhaus in Msambweni arbeiten. Der älteste Sohn Marcel hält in Roggenburg die Stellung. Von hier organisiert er die Aktionen des „Projekts Schwarz-Weiß“. Kontakt zu seiner Familie in Kenia hält er per E-Mail. Ob er selbst nach Kenia auswandern will, hält sich Marcel Dürr offen: „Es kommt, wie es kommen muss.“ Aber Urlaub machen in der Wahlheimat seiner Eltern und seines Bruders - das gehe immer. Zweimal im Jahr versucht er deshalb, nach Kenia zu reisen. Wenn er dort ist, falle ihm auf, wie hilfsbereit die Menschen trotz ihrer Armut sind. Dies treibe seine Familie an, ihr Projekt weiterzuführen: „Einer allein kann kein Dach tragen.“ Diese afrikanische Weisheit ist eines seiner Lieblingszitate.

Info: Näheres zur Arbeit des Vereins gibt es im Internet unter www.kenia-hilfe.com.

 

Vielen Dank an die Zeitung und an die Redakteurin Grit Wolkowicz

Quelle
Augsburger Allgemeine / Ausgabe: NUZ