2008 Heike Dreher berichtet über Ihren Aufenthalt im Nice-View-Children`s-Village

Samstag 25. Oktober 2008, Flughafen Mombasa: Es heisst Abschied nehmen. Abschied von Gudrun, ihrer Tochter Denise, ihrem angehenden Sozialarbeiter Cosmas und von Marianne, einer Freundin von Nice View.

Samstag 25. Oktober 2008, Flughafen Mombasa: Es heisst Abschied nehmen. Abschied von Gudrun, ihrer Tochter Denise, ihrem angehenden Sozialarbeiter und von Marianne, einer Freundin von Nice View. Wir fliegen nach Hause, sie begleiten ein Mädchen nach Nairobi.

Gute drei Wochen zuvor am 3. Oktober waren wir ein paar Minuten vor Mitternacht in Frankfurt gestartet. Wir, das sind meine Eltern und ich. Sie fliegen zum ersten Mal nach Kenia, ich, wie ich erstaunt feststelle, bereits zum 9. Mal. 

Nach einem langen, ermüdenden Tag und einem anstrengenden Nachtflug landen wir endlich in Mombasa. Es ist zwischenzeitlich Samstag früh am Vormittag. Als wir endlich unser

Visum und unser Gepäck haben, ist es ein Leichtes unseren Taxifahrer Mike zu finden, wir kennen uns von meinem letzten Aufenthalt.  

Damals waren Gudrun, die 5 ältesten Mädchen und ich auf dem Weg zu einem Restaurant in Diani: Geplant war ein Abschiedsessen, nur leider machte uns der Jeep einen Strich durch die Rechnung. Er sprang an einer Tankstelle nicht mehr an, und wir mussten eine Alternative finden um zum Restaurant zu kommen, während in der Zwischenzeit der Jeep repariert wurde: Mike und seinen Safaribus.  

Dabei hatten Gudrun, die Kinder und ich noch Glück im Unglück: wir waren nicht unterwegs liegengeblieben (nicht ungefährlich in Kenia) und an einer Tankstelle (es muss immer vollgetankt werden, denn man weiß nie wann es wieder Diesel gibt) zu der eine Autowerkstatt gehört. Außerdem gibt es in Kenia kaum gute Automechaniker und Ersatzteile sind nur sehr schwierig oder überhaupt nicht zu bekommen. 

Nach einer langen Autofahrt kommen meine Eltern und ich endlich in Nice View an. Die Freude ist groß. 

Nachdem wir den Samstag mit Blick auf das Meer gemütlich ausklingen lassen, es muss ein Jeder begrüßt werden, und es gibt viel, viel zu reden, freuen wir uns auf den zwischenzeitlich traditionellen Sonntagsausflug: es geht zur Farm am See. 

Ich kann mich noch gut an meinen ersten Ausflug dorthin erinnern: Es war ein Picknick geplant, die Geburtstage einiger Kinder sollten gefeiert werden; mit allen Kindern und Mamas. Und da damals noch überall Busch war, mussten auch ein paar der Männer mit: Um das Gras zu mähen und hohle Bäume auszuräuchern (dort verstecken sich gerne Schlangen). Auch war es damals noch fraglich, ob in dem See wirklich keine Krokodile oder Nilpferde zuhause sind. 

Inzwischen ist das Grundstück gerodet, und die älteren Jungen verbringen gerne die Wochenenden dort: Sie gehen schwimmen, angeln, helfen die Tiere zu versorgen und schlafen in der neugebauten Banda; auch gibt es jetzt eine Toilette und Umkleidemöglichkeiten. 

Nach unserer Ankunft gibt's zur Begrüßung Madafu (unreife Kokosnuss, sehr erfrischend) und wir bewundern was auf der Farm durch mehrere Arbeiter so alles angebaut wird: Es wird immer mehr und vielfältiger. Auch sehen meine Eltern und ich überall Enten und Hühner und die Kuh hat ihr erstes Kälbchen.  

Nachdem uns versichert wurde, dass das Wasser untersucht wurde und unbedenklich ist, gehen meine Eltern schwimmen; ich drücke mich. Erinnere mich einfach noch zu gut an die Zeit als die Männer mit Pangas (Macheten) am Seeufer entlang patrouillierten. 

In der Nacht von Sonntag auf Montag bin ich mal wieder kurz nachts (um ca. 2 Uhr früh) unterwegs. Im Büro brennt noch Licht. Ich denke: Oh nein, Gudrun arbeitet wieder einmal die halbe Nacht. Zu meinem Erstaunen erkenne ich den Sozialarbeiter. Ist noch dabei Unterlagen zusammenzustellen welche am nächsten Tag auf dem Jugendamt und bei der Geburtenregistrierungsstelle benötigt werden. Es müssen die restlichen Papiere für Sheila zusammenzutragen werden, zudem versucht er für die Kinder Geburtsurkunden zu bekommen: ein schwieriges und fast aussichtsloses Unterfangen. 

Am nächsten Tag fahren wir dann nach Kwale. Als beim Jugendamt und bei der Geburtenregistrierungsstelle (meine Eltern und ich staunen über die endlosen Stapel von Dokumenten bis unter die Decke und verstehen nun besser, warum oft Unterlagen nicht mehr zu finden sind) alle Formalitäten erledigt sind, fahren wir in die Shimba Hills: Es wird Dünger benötigt. Zu unserer großen Freude begegnen uns Elefanten, und schon nach kurzer Zeit sitzen wir völlig perplex auf riesigen Säcken mit Elefantendung; zum Glück riecht er nicht und ist auch ganz trocken. 

Auf dem Nachhauseweg fahren wir an einem anderen Kinderheim vorbei und halten kurz an. Leider sind die Kinder alle in der Schule und wir werden sofort nach unserer Ankunft instruiert: Wir müssen zusammenbleiben, dürfen keine Fotos machen und die Schlafräume sowie Toiletten und Duschen nicht sehen: Privat. 

Kurz nach der Eröffnung hatte ich das Heim bereits einmal besucht und bin entsetzt. Der ehemalige Neubau müsste renoviert werden (bei dem Klima in Kenia regelmäßig erforderlich) und der Garten ist noch immer nicht angelegt. Wir dürfen zwar die Toilette im Altbau benutzen, aber als wir die Toilette sehen beschließen wir, dass wir doch nicht mehr müssen. 

Meine Stimmung ist denkbar schlecht. 

Den nächsten Tag lassen wir ruhig angehen denn am Mittwoch geht's auf Safari: 7 Tage Mount Kenya, Samburu und Masai Mara: 

Auf der Safari sehen und erleben wir unheimlich viel und können nur jedem raten auch mal die nördlichen Nationalparks zu besuchen. Die Landschaft von Samburu ist wunderschön und der Park ist sehr tierreich. In Buffalo Springs hat es noch mehr Tiere, der Park ist jedoch landschaftlich etwas uninteressanter; obwohl man einen schönen Blick auf den Mount Kenia hat. Shaba ist von der Landschaft her sehr interessant, leider hat's kaum Tiere, oder wir konnten sie nicht finden, und ein Ranger rät uns das nächste Mal an der Rezeption einen Ranger anzufragen: Die würden sich auskennen und wissen wo sich die Tiere gerade aufhalten. Auch würden meine Eltern und ich das nächste Mal von Nairobi aus in die drei beieinander liegenden Nationalparks fliegen! 

Außerdem landen wir zufällig in einem mir bis dahin komplett unbekannten privaten Park (Ol Pejeta Conservancy) bei Nanyuki (Laikipiaplateau). Dort haben sie eine unheimliche Tiervielfalt und unter anderem auch 90 Nashörner (schwarze und weiße). Außerdem ein Schimpansen Auffangzentrum (Dr. Jane Goodall's Schimpansen für die nach Ausbruch des Bürgerkrieges in Ruanda ein neues Zuhause gesucht werden musste). 

Zur Masai Mara nur soviel: Genial wie immer! Trotzdem vermissen meine Eltern und ich Nice View und freuen uns, als wir endlich im Flugzeug Richtung Ukunda (bei Diani) sitzen. 

Am nächsten Tag, Mittwoch legen wir einen Strandtag ein. Mit dabei: FF, der zu dieser Zeit noch recht hilflos ist, und noch nicht in den Kindergarten geht. Allerdings konnten meine Eltern und ich schon in den drei Wochen die wir mit ihm verbringen durften eine deutliche Verbesserung erkennen: Zuerst saß er nur apathisch auf dem Boden oder einem Stuhl, gegen Ende bewegte er sich selbständig, spielte, trommelte, tanzte und sang.

Donnerstag, ich begleite Gudrun nach Diani. Es müssen Lebensmittel eingekauft, Bankgeschäfte erledigt und Rechnungen bezahlt werden. Ausserdem ist Gudrun jetzt wo Edi nicht da ist, auch dafür zuständig Baumaterial zu organisieren. Es dauert Stunden und Gudrun und ich gönnen uns zum Abschluss eine Pizza. 

Freitag, ich bin gestresst. Habe mich bereit erklärt das Abendessen zu kochen. Für Gudrun, meine Eltern, Marianne, den Schulleiter der Nice View Schule sowie für dessen Frau und deren Nichte (sie unterrichtet zurzeit die 1. und die 2. Klasse, ihre Nichte die älteren Kindergartenkinder).  

Der Tag vergeht mit Vorbereitungen. Und obwohl alles vorbereitet ist was vorbereitet werden kann, und Shedrack (Koch und Küchenchef) tatkräftig mithilft, schaffe ich es trotzdem nicht den Hautgang (kleines Buffet) vor halb zehn zu servieren. Glücklicherweise hatten meine armen Gäste, die alle direkt vom Elternabend an der Nice View Schule kamen, eine Vorspeise. 

Liebe Küche, hiermit meine Hochachtung: Es ist mir ein völliges Rätsel wie Ihr (zwei Köche und drei Auszubildende) es jeden Tag schafft Mittagessen und Abendessen für alle Kinder, Mitarbeiter, anwesende Gäste und Bauarbeiter zuzubereiten und nebenher noch Brot oder Kuchen zu backen; auch nicht zu vergessen, dass die Versorgung der Schule momentan über die Nice View Küche läuft. Alle Kinder sowie alle Lehrer erhalten ein warmes Mittagessen und zwei Zwischenmahlzeiten. Somit wird täglich so für 50-100 Menschen gekocht, und das in einer Küche die nicht viel mit einer Großküche gemeinsam hat; auch nicht zu vergessen, dass keiner der Köche eine Ausbildung als Koch hat und sie fast alles was sie können von Gudrun gelernt haben. 

Samstag, zwei Wochen sind leider schon vorbei! Gudrun ist früh nach Mombasa aufgebrochen um ihre Tochter vom Flughafen abzuholen. Ich stehe gemütlich auf, so um halb elf sollen Gabriele und Norbert zu Besuch kommen. Wir haben uns vor 1 ½ Jahren in Kenia kennengelernt und haben seither hin und wieder Kontakt und ich möchte daher unbedingt zur Begrüßung bereitstehen.  

Frisch geduscht laufe ich Richtung Banda und werde vom Sozialarbeiter abgefangen: Gäste seien da. Ich: Was, jetzt schon? Sie sollten doch erst in einer Stunde kommen. Nein, andere Gäste. Ich schaue in die Banda. Es handelt sich um 3 österreichische Damen, die Nice View anschauen wollen und bereits gut versorgt worden sind.  

Nachdem Marianne und ich mehr über Nice View erzählt haben, führe ich sie herum. Gudrun ist ja nicht da, Cosmas hat gerade keine Zeit, und ich kenne mich ja aus; und natürlich mache ich es mehr als gerne.  

Danach fahren die Gäste, Cosmas und ich auch noch nach Nice View II und ich zeige ihnen stolz (auch wenn ich selbst nur ein Kieselsteinchen dazu beigetragen habe) das Mädchenhaus sowie den Kindergarten und die Schule.

In dem Mädchenhaus stehen erste Betten und Regale welche die Schreinerwerkstatt hergestellt hat, und ich staune mal wieder über die Qualität der Möbelstücke; auch nicht zu vergessen, dass dort momentan ca. 20 Mitarbeiter (Schreiner, Schnitzer, Gehilfen, Nachtwächter,...) beschäftigt werden. Denn für jeden Schreiner der beschäftigt werden kann sowie für jeden beschäftigten Bauarbeiter oder Mitarbeiter gilt: Mit jedem der beschäftigt werden kann wird auch immer gleich einer ganzen Familie geholfen!

Die Schreinerei haben wir natürlich auch besucht: Ich weiß nur nicht mehr wann. 

Die Schule besteht momentan aus 3 Klassenräumen (einem für die 1. und 2., einem für die 3. und 4. sowie einem für die 5. Klasse), einem Lehrerzimmer und einem Computerraum (dort stehen mehrere Computer auf, klar, in der Schreinerwerkstatt hergestellten Computertischen; was für so ziemlich das ganze Möbiliar wie Schulbänke und Regale gilt). Die Kindergartenkinder sind in 2 angrenzenden Räumen untergebracht. 

Jedes der Klassen- oder Kindergartenzimmer ist mit Lehrmaterial versehen, mit Bastelarbeiten geschmückt, an den Türen hängen Namensschilder, die Zimmer sind hell und es regnet nicht herein. 

Die Küche, ein Aufenthaltsraum und die Toiletten befinden sich im Bau; es werden momentan die Außentoiletten (damit die Kinder wenn sie draußen spielen nicht durch das ganze Haus laufen müssen) des Mädchenhauses benutzt. Was mich daran erinnert, dass Edi noch am Tag vor Schulbeginn im Mädchenhaus bis um 9 Uhr abends die Toiletten die sich im Kinderhaus befinden eingebaut hat. Am ersten Schultag war auch noch alles sehr provisorisch, aber irgendwie geht es zumindest in Kenia immer. Die Hauptsache ist, dass den körperlichen und seelischen Misshandlungen der Kinder endlich ein Ende gesetzt ist! 

Was für ein Unterschied zu den Schulen die ich bisher in Kenia gesehen habe. Dort sind die Klassenzimmer normalerweise überfüllt, der Boden besteht oft aus festgestampfter Erde, es regnet häufig herein (und die Kinder sitzen dann im Matsch), es fehlt an Lehrmaterial, es gibt keine oder nur sehr schmutzige Toiletten und die Lehrer sind meist überfordert und nicht gut ausgebildet. Kinder werden brutal geschlagen (oft mit Stöcken, Striemen sind meist abends noch zu sehen) oder müssen auf den Knien ausharren, Hände über dem Kopf. 

Zurück in Nice View kommen Gabriele und Norbert gerade an und wir verbringen einen schönen Tag miteinander, unter anderem mit den Kindern am Strand. Abends, Gudrun und Denise sind endlich zurück aus Mombasa, überraschen uns die Kinder und Mitarbeiter mit einem Heimatabend. Sie singen und tanzen für uns. Die Küche trommelt. 

Werde auch nie Gudruns Reaktion vergessen, als ich ihr von meinem Morgen erzähle. Denn was ich bisher noch nicht erwähnt habe: ich hatte noch nicht gefrühstückt, sofort FF auf dem Arm der unbedingt zu mir wollte, und alle Mitarbeiter entschwanden auf wundersame Weise. Denn jetzt war ich ja da und konnte übernehmen. Gudrun meinte nur: Jetzt weißt Du wir's mir immer geht! Ja, Gudrun, ich weiß: Du bist von früh bis spät gefragt, und es bleibt oft nicht einmal Zeit zum Essen; auch bin ich kein so Organisationstalent wie Du! 

Am folgenden Tag, Sonntag, geht's nachmittags na wohin wohl: An den See. Heute fahren die Kindern mit einem kleinen Boot und sogar ich steige ein! Aber schwimmen war ich bisher noch stets nicht. 

Montag, es ist Feiertag, und wir haben die älteren Mädchen zum Pizzaessen am Strand von Diani eingeladen. Leider haben wir ein unschönes Erlebnis: Die Mädchen sitzen an einem anderen Tisch und werden von einem der Kellner gefragt ob sie Muslime seinen. Obwohl sie mit 'Nein' antworten sagt er zu ihnen: 'Ihr wisst schon was auf der Pizza ist die ihr bestellt habt? Schweinefleisch. Bestellt nächstes Mal was Anderes.' Denise die immer noch gut Suaheli versteht und der Sozialarbeiter haben es mitbekommen, und in Absprache mit Gudrun verlange ich den Manager zu sprechen. 



Am Dienstag lasse ich mich im neuen Wellnesscenter in Diani (beim Leopard Beach Hotel in Diani) verwöhnen: Herrlich. Am Mittwoch fahren wir zu Hans (Mwanzaro Beach) und meine Eltern sind ganz fasziniert von den Mangrovensümpfen und dem schönen Strand. 

Am Donnerstag legen meine Eltern und ich einen Ruhetag ein (okay, ich war mit den Kindern am Strand) und am Freitag fahren wir nach Shimoni zum Schnorcheln: Ein unvergessliches Erlebnis. Wir sehen eine riesige Wasserschildkröte und Fische jeglicher Größe, Form und Farbe. Jedoch leider keine Delphine. 

Zurück in Shimoni wartet wiederum ein nicht so schönes Erlebnis auf uns: 

Wir gehen Essen und auf der Speisekarte steht: Samosa 250 kenianische Schillinge. Gudrun fragt wie viele das sind. Zwei, was sehr teuer ist für kenianische Verhältnisse. Später, als wir die Rechnung bekommen stockt uns der Atem. Verlangt das Personal jetzt doch tatsächlich 250 kenianische Schillinge für 1 Samosa! Sie glauben doch wirklich sie könnten uns ver... Nach endlosen Diskussionen bezahlen wir schlussendlich 'nur' 250 kenianische Schillinge für zwei Samosa, trotzdem waren wir dort zum letzten Mal, zumal auch der Service alles andere als gut war: Wir fühlten uns die ganze Zeit verschaukelt. 

Schade, unser letzter Abend ist angebrochen. 

Die Kinder singen ein letztes Mal für uns und es ist Zeit ins Bett zu gehen, wir müssen am nächsten Morgen früh raus. 

Meine liebe Gudrun, wieder Zuhause, danke ich Dir nochmals für Deine Gastfreundschaft und die Zeit die Du Dir für uns genommen hast, denn Zeit ist etwas was Du eigentlich nicht hast! 

Auch wünsche ich Euch viel Erfolg mit Eurem neuesten Projekt zur Verbesserung der medizinischen Versorgung: Dem Nice-View-Kari-Charity-Medical Center. 

Besten Dank Eure Heike Dreher!